Gefunden
Ich ging im Walde
So für mich hin,
Und nichts zu suchen,
Das war mein Sinn
Im Schatten sah ich
Ein Blümchen stehn,
Wie Sterne leuchtend,
Wie Äuglein schön.
Ich wollt es brechen,
Da sagt es fein:
Soll ich zum Welken
Gebrochen sein?
Ich grub’s mit allen
Den Würzlein aus.
Zum Garten trug ich’s
Am hübschen Haus.
Und pflanzt es wieder
Am stillen Ort;
Nun zweigt es immer
Und blüht so fort.
Goethe. Gefunden. 1813
Tag drei
Heute habe ich etwas länger geschlafen. Der Regen prasselte schon beim aufwachen auf das Dachfenster. Ich habe wieder ein Müsli zu Frühstück gegessen. Mit Apfel. Tee habe ich auch getrunken. Ich wollte Kaffee trinken, habe es aber nicht gemacht. Dann habe ich mich wieder ins Bett gelegt. Ich hatte den ganzen Tag keine Lust raus zu gehen. Später habe ich in der Küche und dem Wohnzimmer Staub gesaugt. Das tat gut. Es lagen viele Hundehaare und Staubmäuse auf dem Boden. Jetzt sind sie im Stuabsaugerbeutel. Das Rohr war verstopft und ich musste es erst entstopfen. Den Sack musste ich auch wechseln. Wir haben kein Klopapier mehr und müssen welches kaufen. Heute habe ich es nicht gemacht. Ich habe mich wieder ins Bett gelegt. Beim Lesen bin ich fast eingeschlafen. Dann habe ich mir die Trainerhose aus- gezogen und meine orangen Jeans angezogen. Ich habe Holz geholt, um im grossen Ofen Feuer zu machen. Das Holz war heute sehr schwer. Als das Feuer brannte, habe ich mir einen Tee gekocht und danach auf den Sessel vors Feuer gesessen. Ich habe ein bisschen gelesen. Ich habe die Curryresten warm gemacht, Reis gekocht und Gemüsesalat gemacht. Fenchel, Birne, Karotte. Als ich zu Bett ging, hörte ich wieder die Regentropfen auf dem Dachfenster. Mild und beruhigend. Wie früher in meinem Kinderzimmer. Ich musste an das Trompetenmoos denken. Ich konnte lange nicht einschlafen. Im Wohnzimmer hörte ich jemanden Dinge tun. Dann hat wer Wasser gekocht. Es tut gut zu hören, dass Menschen da sind und ich nicht alleine bin. Ich schlief zu Michael Ende und der Wunschpunsch ein.
»Wir wohnen? Wo? Was beschützt uns? Was bewirkt, daß wir nicht ausgesetzt sind? Wo ist unserer Welten Mitte? Worauf stützen wir uns, um gegen sie vorzustoßen? Haben wir einen Ort, wohin wir uns zurückziehen können? Ist das, was uns umgibt, die Welt, und ist es gefestigt? Was ist unser Leben? Hat es eine Richtung? Haben wir Horizonte und Mitte? Können wir uns ergießen? Und sammeln? Können wir uns geben? Und finden? Handeln wir betrachtungslos und betrachten wir, ohne zu handeln? Können wir Abschied nehmen, wenn wir nicht heimkehren können? Können wir heimkehren, ohne Abschied genommen zu haben? Was für ein Alphabet ist denn das, ohne Alpha und ohne Omega? Können wir eine unendliche Reihe von Ziffern entziffern? Ist denn das noch ein Alphabet, wo es keinen Sinn gibt? Wir wohnen?« – Flusser, Vilélm. Dinge und Undinge. 1993. S. 90