Anfänglich schien mir der Monat, der uns bevorstand, wie eine enorm lange Zeitspanne, die viele Möglichkeiten für künstlerisches Arbeiten bereit hält.
Die ersten beiden Wochen konnten dieser Annahme noch nichts anhaben, aber als dann die erste Person aus unserer neu zusammengekommen Gruppe bereits nach zwei Wochen zurück in ihren Alltag entschwunden ist, kam plötzlich dieses „Halbzeit“ Gefühl in den Raum gestampft.
Rückblickend (auch, wenn ich zum Zeitpunkt, als ich diese Zeilen schreibe, noch mitten drin bin, einfach als Anmerkung um der rennenden Zeit nicht das Ruder zu übergeben :-)) möchte ich drei verschiedenen Praktiken benennen, die mein künstlerisches Arbeiten hier in der Villa, nebst den Bisi-Gaggi-Runden, etwas strukturiert haben, die aber auch immer sichtbar werdender zu meinem aktuellen künstlerischen Schaffen dazugehören:
I
zusammen nähren
Es ist keine Selbstverständlichkeit an einen Ort zu kommen und mit anderen Menschen so gut zu harmonieren. Ich bin wahrscheinlich ein bisschen vercrushed, nicht nur in die einzelnen Personen, vor allem auch in die Konstellation von uns.
Was mich nachhaltig beeindruck sind unsere Gespräche. Eine Person wirft ein Thema in die Runde, während wir entweder auf der Baustelle, bei Monique, auf der Dachterrasse oder in der zur Strasse hin geöffneten Werkstatt an einem Tisch sitzen und meist etwas Physisches in unseren Körper aufnehmen, und wir sprechen und sprechen und, wir hören uns zu. Zwischendurch macht eine Person Notizen, um sie später in unseren Gruppenchat zu posten, der nebst all den sweeten Dokumentationen unserer Coolness, auch ein Sammelort für gestalterische und politische Inhalte geworden ist (Bücher, Filme, Texte, Comics, Dokus, Serien, Residenzen…) Ich hab gar keine Lust, einen Abend für mich alleine zu verbringen, wenn die Menschen und die Gespräche mit ihnen so krass toll sind.
Es sind die Apéros, die Brunches, die Abendessen und die (kurz angedachten und doch länger gewordenen) Nachmittagspausen, die unseren Gesprächen mit Hospitality entgegnen. Die ihnen überhaupt den Raum geben zu sein. Und meinen Gedanken an diesem Punkt folgend, denke ich sofort wieder darüber nach, dass eigentlich, alle diese Gespräche, diese Essen, diese geteilte Zeit als Happening gesehen werden könnte. (Nicht ganz im Sinne von „alles ist Kunst, immer, überall“, sondern vielleicht viel eher im Sinne einer mini-documenta15 in Faucogney?) Jedenfalls wird mir die Wichtigkeit von Gesprächsrunden immer und immer wieder bewusst und diese finden meist rund um die Nahrungsmittelaufnahme statt.
Für mich und meine Praxis sind Gespräche von Bedeutung. Seit einiger Zeit führe ich Gespräche und dokumentiere sie mit einem Audioaufnahmegerät. Ich möchte den Gesprächen in meinem Leben dadurch mehr Relevanz zusprechen, vor allem aber die Gedanken beherbergen, die so wunderschön in die Luft gesagt wurden und mir von Bedeutung in einem grösseren Ganzen scheinen.
II
einander zuhören
Zuhören als eine Möglichkeit, sich mit jemandem zu verbinden.
Anita und ich haben gemeinsam nachgedacht und gesprochen, wir haben Gedanken über unsere eigene aktuelle künstlerische Praxis ausgetauscht. Wir haben beide über unsere Fragen, Unsicherheiten und auch über die vielen Gründe gesprochen, warum wir tun, was wir tun.
Ausgehend von der Sammlung von Wörtern haben wir in kurzen Kapiteln über jedes Wort gesprochen. Wir saßen beide auf der gleichen Seite des Tisches und ließen unsere Worte in die Luft wachsen. Die Aufzeichnung des Gesagten soll die Bedeutung solcher Gespräche unterstreichen. Von Zeit zu Zeit begannen die verschiedenen Wörter die Diskussionsrunden zu durchdringen, sie tauchten in anderen Kapiteln wieder auf. Für uns ist diese Arbeitsweise ein Weg der künstlerischen Forschung und der aktiven Einübung von Verbundenheit. Was ihr sehen könnt, ist eine Dokumentation unseres Prozesses.
III
körper in körpern
Seitdem ich mein Leben mit einer Hündin beschreite, denke ich auch mit ihr. Ab und zu habe ich mich, mit der Kamera in der Hand, als ihre Performancepartnerin gesehen. Wir verbringen beinahe jeden Tag miteinander und sind einander Companions geworden. Ich sehe diese Gegebenheit als einen weiteren, möglichen Ansatz, das Verbundensein zu erforschen. Dieses Verbundensein zwischen Menschen und Tieren ist kein neues Phänomen. Auch, dass Künstler*innen ihre Arbeiten in Kollaborationen mit Tieren machen ist keine Neuheit. Mich reizt aber genau diese Vorstellung, unsere Beziehung aus einer vor allem performativen Richtung zu erproben.
In der Residenz sind im Atelier erste Aufnahmen entstanden, die körperliche Beziehung und Bewegungen zwischen Ayla und mir zu verstehen lernen. Diesen Versuch habe ich erweitert, indem ich die anderen Residierenden um ihre filmische Mithilfe gefragt habe: wir haben angenommen, dass die Bewegungen und die körperliche Freude im Zusammenhang mit einem Spielzeug eine choreografische Abfolge enthält. Also habe ich die anderen eingeladen, für einen kurzen Zeitraum die Bewegungen von Ayla im Park zu filmen. Ich möchte weiterhin untersuchen, was es bedeuten kann, wenn ich Ayla als Performerin betrachte, nicht nur um Spass mit ihr zu haben, sondern auch um die Definitionen von Performance Kunst dadurch zu hinterfragen und um mich und meine Praxis in diesem Feld zu verorten.