Ich baue eine Geschichte, erst von Hand auf Papier, dann tippe ich das Geschriebene ab und verwende das volle Papier zum Anfeuern. Ich tippe und lösche, ich streiche und schiebe, ich bohre in der Nase, ich mache mir Tee, ich lege ein Scheit nach, dann schreibe ich weiter.
Übers Schreiben schreiben: Weniges ist langweiliger, sowohl für den Schreiberling als auch für die Leserin, ich versuche es zu vermeiden. Ich versuche es sogar hier zu vermeiden, obwohl ich in Faucogney fast nichts anderes getan habe.
Nur noch so viel dazu: Ich war fleissig. Mein zweiter Roman ist nicht fertig, aber fast. Ob er gut ist, werde ich sagen können, wenn ich ihn dann gelesen hab.
Spannender als meine Arbeit sind aber eh meine Arbeitspausen. Wenigstens jene, in denen ich das Verirren geübt habe: Eine schöne und wichtige Kunst, und im Gegensatz zum Schreiben eine, von der man erzählen kann und will.
Man zieht dafür seine hässlichen, aber trittfesten Schuhe an, füllt eine Wasserflasche und begibt sich in einen beliebigen Teil des Waldes über Faucogney. Man wählt bei der ersten sich bietenden Gelegenheit einen Weg, den man noch nie eingeschlagen hat, man folgt ihm, man blickt nicht zurück. Man folgt ihm an Teichen vorbei, kreuzt die Bäche, rastet und raucht auf Baumstümpfen, man meidet Stellen mit Aus- oder Überblick. Findet man eine Stelle wieder, die man schon kennt, ist man gescheitert. Man hat sich nicht verirrt.
Gelingt es aber, während Stunden in unbekannten Waldteilen umherzuirren, bis man die ungefähre Richtung, in der Dorf und Villa liegen, nicht mal nennen könnte, wenn man wollte, hat man es geschafft. Man ist vollkommen verloren, man hat sich verirrt. Man kostet die Unsicherheit, die bei nahender Dämmerung besonders köstlich ist, in vollen Zügen. Man ergötzt sich am Aufstellen der eigenen Nackenhaare, man labt sich an der aufkommenden Panik, man hält die Verirrtheit aus, solange man kann, dann nimmt man mitten im Nirgendwo zähneknirschend die Hilfe von Google Maps in Anspruch, die man ansonsten boykottiert, weil man nicht geortet werden will von den Fickern, und macht sich auf den Heimweg. Die erste Zigarette beim Wiedereintreten in bekannte Waldteile ist köstlich.
Ich habe das Verirren jeden Tag geübt und bin meistens gescheitert. Besonders, da das Verirren eine Kunst ist, die mit der Übung schwieriger wird. Oder mindestens zeitintensiver. Trotzdem werde ich das Verirren weiter üben. An wenigen Orten ist es so schön und funktioniert es so gut wie in Faucogney. Vielen herzlichen Dank an alle, die mir diese fünf Übungswochen ermöglicht haben, ich werde sie in bester Erinnerung halten.
Herzlich,
Béla